Freitag, 21. Dezember 2018

Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitarbeit

Eine Regelung in einem Tarifvertrag kann im Einklang mit § 4 Abs. 1 TzBfG* dahin auszulegen sein, dass Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigten für die Arbeitszeit geschuldet sind, die über die Teilzeitquote hinausgeht, die Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit jedoch nicht überschreitet.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als stellvertretende Filialleiterin in Teilzeit tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie Anwendung. Er regelt ua. Mehrarbeitszuschläge und erlaubt es, wie im Fall der Klägerin eine Jahresarbeitszeit festzulegen. Für den nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraums bestehenden Zeitsaldo hat die Beklagte die Grundvergütung geleistet. Sie hat dagegen keine Mehrarbeitszuschläge gewährt, weil die Arbeitszeit der Klägerin nicht die einer Vollzeittätigkeit überschritt. Die Klägerin verlangt Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit, die über die vereinbarte Arbeitszeit hinausging.

Die Vorinstanzen haben der Klage überwiegend stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zehnten Senat mit Blick auf die Mehrarbeitszuschläge keinen Erfolg. Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass Teilzeitbeschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit haben, die über ihre individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgeht. Diese Auslegung entspricht höherrangigem Recht. Sie ist mit § 4 Abs. 1 TzBfG vereinbar. Zu vergleichen sind die einzelnen Entgeltbestandteile, nicht die Gesamtvergütung. Teilzeitbeschäftigte würden benachteiligt, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, von der an ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entsteht, nicht proportional zu ihrer vereinbarten Arbeitszeit vermindert würde. Der Zehnte Senat gibt seine gegenläufige Ansicht auf (BAG 26. April 2017 - 10 AZR 589/15 -). Er schließt sich der Auffassung des Sechsten Senats an (BAG 23. März 2017 - 6 AZR 161/16 - BAGE 158, 360).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2018 - 10 AZR 231/18 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2018 - 2 Sa 1365/17 -



*§ 4 Abs. 1 TzBfG lautet:
1Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. 2Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

Hinweis: Der Senat hat am 19. Dezember 2018 über vier weitere parallel gelagerte Sachverhalte entschieden (- 10 AZR 617/17, 10 AZR 618/17, 10 AZR 140/18 und 10 AZR 232/18 -). Die auf Mehrarbeitszuschläge gerichteten Klagen hatten Erfolg.

Quelle: BAG Pressemitteilung 70/18

Donnerstag, 20. Dezember 2018

Errichtung von Betriebsräten in Cockpit und Kabine - Änderung des § 117 BetrVG

Mit der heutigen Änderung des §117 BetrVG schafft der Bundestag endlich die gesetzliche Grundlage zur betrieblichen Mitbestimmung für alle Flugzeugbesatzungen in Cockpit und Kabine. 
Die alten Regelungen des § 117 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) schloss das fliegende Personal grundsätzlich von der Errichtung eines Betriebsrates und damit von der betrieblichen Mitbestimmung aus. Stattdessen konnten für Piloten und Flugbegleiter entsprechende Vertretungen nur durch einen Tarifvertrag umgesetzt werden. Wurde dies von Arbeitgebern verweigert, hatten die Betroffenen keine Möglichkeit, ihre Mitbestimmungsrechte wahrzunehmen. 
„Arbeitgeber wie Ryanair, Germania und Sunexpress haben dieses Schlupfloch für ihre Zwecke ausgenutzt. Damit ist jetzt Schluss! Die anachronistische Vorschrift des § 117 BetrVG ist ab heute Geschichte und das fliegende Personal kann ab sofort einen Betriebsrat wählen, wenn sich der Arbeitgeber weigert einen so genannten Tarifvertrag Personalvertretung abzuschließen“, so Martin Locher, Präsident der Vereinigung Cockpit (VC).
Mit der Anpassung des § 117 BetrVG bleiben geltende Tarifverträge und damit bereits etablierte Mitbestimmungsrechte erhalten. „Aufgrund der Besonderheiten des fliegenden Personals sind Tarifverträge weiterhin die beste Lösung. Sollte der Arbeitgeber einen solchen Tarifvertrag verweigern, greift die jetzt geschaffenen gesetzliche Grundlage zur Etablierung eines Betriebsrats.
„Durch diese Auffanglösung kann sich kein Arbeitgeber mehr seiner sozialen Verantwortung entziehen. Eine betriebliche Mitbestimmung bei Ryanair, Germania und Sunexpress wird jetzt kommen. Wir begrüßen ausdrücklich die Klarstellung der Regierung und der Koalition, dass dieses Gesetz für alle Unternehmen gilt, die hierzulande aktiv sind, Geschäfte machen und Menschen beschäftigen. Die Übergangsfrist bis zum 1. Mai 2019 gibt allen Flugbetrieben nun die Chance, maßgeschneiderte Tarifverträge mit den Gewerkschaften abzuschließen, bevor das Betriebsverfassungsgesetz zur unmittelbaren Anwendung kommt“, so Locher abschließend.

Quelle: https://www.vcockpit.de/presse/pressemitteilungen/detailansicht/news/betriebsrat-jetzt-vereinigung-cockpit-begruesst-aenderung-des-117-betrvg.html

Betriebsrätestärkungsgesetz

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 21.12.2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stär...