Dienstag, 2. Juni 2020

Betriebsratsarbeit geht vor! – Betriebsrat in der Bredouille?



Es kommt immer wieder vor, dass ein Mitglied des Betriebsrats, das zur Sitzung eingeladen ist, nicht kommen kann oder will, weil er an seinem Arbeitsplatz (vermeintlich) unabkömmlich ist. Welche Konsequenzen in dieser Situation eine falsche Entscheidung hat, wird im Folgenden dargestellt. 

Ein ordnungsgemäßer, wirksamer Beschluss kann nur in einer Betriebsratssitzung gefasst werden, die korrekt vom Vorsitzenden einberufen wurde. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, müssen alle Betriebsratsmitglieder eingeladen werden. Für ein verhindertes Betriebsratsmitglied ist ein Ersatzmitglied zu laden (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Wenn dieses nicht passiert, ist das Gremium in der Sitzung nicht richtig zusammengesetzt, was zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse führen kann. 


Verhinderung ja oder nein? 

Nun ist also die Frage, wann ist ein Betriebsratsmitglied verhindert, so dass zwingend ein Ersatzmitglied zu laden ist: 

Eine zeitweilige Verhinderung liegt vor, wenn ein Betriebsratsmitglied vorübergehend aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gehindert ist, sein Betriebsratsamt wahrzunehmen (BAG 06.11.2013, 7 ABR 84/11)

Anerkannte tatsächliche Verhinderungsgründe sind nach Rechtsprechung des LAG Schleswig-Holstein (1.11. 2012 – TaBV 13/12) u.a.: Krankheit, Kuraufenthalt, Urlaub, Dienstreise, auswärtiger Montageeinsatz, Teilnahme an Schulungsveranstaltungen, Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz, Elternzeit, Zivildienst oder Wehrdienst sowie die Betroffenheit in eigener Sache als rechtlicher Verhinderungsgrund. 


Amtspflicht als Bredouille? 

Ein Betriebsratsmitglied kann allerdings nicht nach Belieben entscheiden, ob es an einer Betriebsratssitzung teilnimmt oder nicht. Im Gegenteil: Das BAG sieht in einem solchen Verhalten eine Pflichtverletzung, die zum Ausschluss aus dem Betriebsrat führen kann, wie nachstehende Entscheidung des BAG v. 23. 6. 2010 - 7 ABR 103/08 zeigt: 

»… Eine Pflicht des Arbeitgebers zur Tragung derartiger Kosten kann dabei nicht allein mit dem Hinweis verneint werden, das in einer Pflichtenkollision stehende Betriebsratsmitglied könne sich gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für verhindert erklären (vgl. dazu, dass ein Betriebsratsmitglied allein wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit nicht an der Ausübung seines Betriebsratsamts verhindert ist, BAG 25. Mai 2005 - 7 ABR 45/04 -). Die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben steht nicht im Belieben der einzelnen Betriebsratsmitglieder. Diese sind hierzu vielmehr gesetzlich verpflichtet und können im Falle einer groben Verletzung ihrer Pflichten nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden.«


Grundsätzlich ist es so, dass die Amtspflicht, die ein Betriebsratsmitglied mit der Übernahme des Mandates übernommen hat, Vorrang vor der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht hat. Der Betriebsrat ist nach § 37 Abs. 2 BetrVG von der Arbeit freizustellen!

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Betriebsratsmitglied objektiv unabkömmlich ist und die anstehende Arbeit an seinem Arbeitsplatz ausschließlich von ihm erledigt werden kann und muss. In diesem Fall muss das Betriebsratsmitglied unter Abwägung der Bedeutung seines Amtes darüber entscheiden, welcher Pflicht er den Vorrang einräumt. Fällt die Entscheidung zugunsten der Arbeitspflicht aus, muss dieses dem Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilt werden, so dass dann von einem Verhinderungsfall ausgegangen wird und ein Ersatzmitglied zu laden ist. 

So eine Entscheidung des LAG Hamm vom 08.12.2017, die Ihr hier nachlesen könnt: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2017/13_TaBV_72_17_Beschluss_20171208.html


Letztes Wort für den Vorsitzenden?

Ja! Wenn der Betriebsratsvorsitzende tatsächliche Gründe dafür hat, dass die Entscheidung des Betriebsratsmitglieds, der Arbeitspflicht den Vorrang zu geben, eine pflichtwidrige Entscheidung war, muss er den Verhinderungsgrund überprüfen. 

Kommt er zu dem Ergebnis, dass kein Verhinderungsgrund vorliegt, ist kein Ersatzmitglied zu laden. Das Gegenteil kann zur Unwirksamkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse führen. 
Diese vom Vorsitzenden getroffene Einschätzung und Entscheidung sollte in jedem Fall dokumentiert werden. 


Fazit: Formal richtig ist wichtig! 


Wenn Ihr hierzu noch Fragen oder Klärungsbedarf habt, meldet Euch gern bei mir unter info@br-rat.de



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